Lesedrama und Prozess

Wir inszenieren unsere Traumwohnung als Lesedrama.

Das Lesedrama ist eine eigene Form der szenischen Lesung. Zwei Autoren und eine Schauspielerin begegnen sich im Text, und bringen das Ergebnis auf die Bühne.

Die beiden Autoren werden mit den eigenen Figuren konfrontiert. Die Hauptperson Gabi verselbständigt sich nach und nach. Ist sie noch die, die sie erfunden haben? Oder hat sie längst das Ruder übernommen und erzählt ihre eigene Geschichte? Auf die Bühne kommt nicht nur das Stück, sondern die besondere Beziehung zwischen Dichter, Sprache und Figur. Haben wir uns das so gedacht? Nee…

Bei einem Probengespräch unterhielten wir uns darüber, was das Besondere an einem Lesedrama ist.

Lutz: Für mich ist das Lesedrama eine Form zwischen Lesung und Theater. Das Reizvolle ist, dass ich als Autor mit auf der Bühne sitze. So findet das Drama nicht nur zwischen den Figuren im Stück statt, sondern auch zwischen mir und dem, was die Schauspielerin mit unserer Figur anfängt, indem sie sie zu ihrer macht.

Saskia: Meine Definition von Lesedrama ist, dass zwangsläufig ein Drama entstehen muss, wenn Autoren mit auf der Bühne sind und sich die Figuren verselbständigen.

Lutz: Nö, irgendwie nicht. Ich sitze eher staunend davor und bekomme mit, was du daraus machst.

Mir gefällt, wenn die Figuren sich verselbstständigen. Ich finde es absolut schön. Das tun sie schon bei mir im Kopf, wenn ich einen Text lese, den ich geschrieben habe. Gerade wenn der abgelagert ist, erkenne ich die Personen oft nicht wieder. Manchmal frage ich mich, hast du das geschrieben? Das empfinde ich als angenehm.

Saskia: Also ist das Lesedrama eigentlich eine Momentaufnahme: Hier der Autor und dort die Figuren an diesem Tag mit diesem Text.

Lutz: Ich habe nicht die Vorstellung, ich hätte ein „Werk“ geschrieben. Der Prozess geht ja weiter. Ich denke nicht wie manche Autoren, die sagen: Das ist jetzt gedruckt, das ist fertig. Ich korrigiere immer weiter, schreibe um für die nächste Lesung. Oft lese ich etwas anderes vor als das, was im gedruckten Buch steht.

Im Grunde ist unser Lesedrama ein Ausschnitt aus unserem Produktionsprozess, der tendenziell unendlich ist.

 

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