Was mich an Gabi fasziniert

 

Ich habe „Gabi“ persönlich gekannt. Zwei Jahre lang traf ich sie jede Woche, eigentlich zu einer Arbeitsbesprechung. Tatsächlich überschüttete sie mich mit Geschichten, alle selbst erlebt. Sie war eine große Erzählerin.

Ich saß da mit offenem Mund und konnte kaum glauben, was sie erzählte und mehr noch, wie sie erzählte. Von Ralf, der die Traumwohnung verwüstet und sie damit allein gelassen hat, von ihrem Ehemann, der die Kinder zu Hause einsperrte und davon, wie er sich aufgehängt hat, unter sich Briefe ans ganze Dorf. An Verwandte und Bekannte, an den Bürgermeister und den Pastor und den Polizisten. Alle sollten sehen, wie Gabi ihren Mann behandelt hat.

Ihre Geschichten balancieren zwischen Wirklichkeit und Möglichkeit. Je schmaler der Grat, desto mehr faszinieren sie mich.

Die verwüstete Altbauwohnung, in die sie und ihre Erzählungen so gut hineinpassen, kenne ich aus einem anderen Stück Wirklichkeit, ebenso den Blumenmann, die männliche Gegenfigur.

Als Lutz hinzukam, ist ein Stück daraus geworden, weil er die Mumie erfand. Auch sie inszeniert das eigene Leben als Drama. Sie ist Gabis Publikum auf der Bühne und unterstützt sie als Co-Autorin und Regieassistentin.

Auch sie erzählt abenteuerliche Geschichten aus ihrer Ehe mit dem Pharao, von der Begegnung mit Napoleon, von dem englischen Lord, der sie nach London entführte, und von dem kläglichen Ende mit dem Kleinstadt-Apotheker in Bad Oldesloe.

Dreieinhalb Jahrtausende Erfahrungs-Vorsprung verleihen nicht nur ihr mythologische Würde; sie strahlen aus auf Gabi.

Man könnte die Geschichten sehr anders erzählen – von außen. Zum Beispiel als sozialkritische Reportagen oder als Belege für weibliche Ohnmacht; aber im Scheinwerferlicht der Baulampen inszeniert sich Gabi als Star, nicht als Opfer.

Saskia Junggeburth als Gabi

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