Hurra in Leipzig

Gerade rollten wir unsere Koffer in die Halle des Leipziger Hauptbahnhofs, da rief plötzlich eine Männerstimme:

– Herr Flörke! Herr Flörke.

Nanu? Wer weiß denn, wer hat denn, wer ist das denn?

Ein dick eingepackter Mann mit Bart und Mütze.

– Ansgar Köb, stellt er sich vor.

– Sie sehen so anders aus, sage ich.

– Das liegt an der Mütze.

Er zieht sie ab. Jetzt ähnelt er dem Foto auf der Website des Verlags „duotincta“. Lutz Roman „Das #Ilona-Projekt“ soll im September dort erscheinen. Den Mann neben ihm kenne ich nicht, aber, wie sich herausstellt, sein Buch. Es ist Wolfgang Eicher aus Wien („Die Insel“), ebenfalls angereist zur Buchmesse.

Bernhard Schlink sei schon eingetroffen, jetzt auch wir. Die beiden von „duotincta“ warten auf Jürgen Volk, mit dem sie heute noch den Stand aufbauen wollen. So herzlich willkommen gleich hier auf dem Bahnhof – schon fühlen wir uns heraus- und aufgehoben.

Erster Buchmessentag

Wir drehen unsere erste Runde durch die Hallen, in diesem Jahr mit einem Fixpunkt in all dem Gequirl aus Menschen und Geschäften, dem Stand „unseres“ Verlages.

Kaffeetrinken und Quatschen mit Kollegen. Birgit Rabisch ist da, Bernd Martens, Daniel Breuer… Verleger Jürgen Volk kommt dazu:

– Schön, dass Ihr da seid. Wir duzen uns doch, oder?

Er zeigt uns die Verlagsvorschau = 4 (!) Seiten über „Das Ilona-Projekt“, das – toi, toi, toi, für im September angekündigt ist:

„Lutz Flörke legt in seinem vielschichtigen Debüt einen Roman über die zeitgenössische Sehnsucht nach einem Leben als Hauptperson und den Hunger nach Geschichten vor. Skurril und von grotesker Komik.“

Ist schon toll, sich selbst so vorgestellt zu sehen.

Abends im Gewölbekeller einer Kneipe die erste Veranstaltung: Autoren/innen von vier unabhängigen Verlagen lesen aus ihren Veröffentlichungen.

Birgit Rabisch stellt ihren neuen Roman „Putzfrau bei den Beatles“ vor, ganz frisch aus dem Druck. Schade, dass der Titel nicht uns eingefallen ist. Es geht um eine WG von vier altgewordenen 68ern, die einst zusammen in einer Band gespielt haben. Die Beatles waren sie leider nicht, trotzdem reden sie sich mit Ringo, George, John und Paul an. Nun engagieren sie eine junge Putzfrau, und dann taucht noch ein angeblicher Enkel auf… Trotz des unterhaltsamen Titels macht das Buch nicht nur Spaß, sondern es ist auch richtig kluge Literatur.

Was macht Literatur zur Dichtung? Wenn sie über sich selbst nachdenkt, über ihren Sinn und Zweck, ihr Ziel und ihre Möglichkeiten. Dichtung sucht nach Wegen aus dem Selbstverständlichen, denn nur, was sich nicht von selbst versteht, kann geändert werden.

Die altgewordenen „Beatles“ stehen vor dem Problem, Popkultur, Glamour und ewige Jugend lügenlos zu verbinden mit der Notwendigkeit von Alltag, Ökonomie und Älterwerden.

Wolfgang Eichers neue „Freiheitsstatue“ klingt ebenso skurril wie sein letzter Roman, den ich in einem Zug durchgelesen habe. Sein Faible für abseitige Liebesgeschichten gefällt mir. Die Duotincta-Autoren Daniel Breuer und Kathrin Wildenberger entwerfen ebenfalls höchst eigene Erzählungen. Ich freue mich, in einem Verlag gelandet zu sein mit so unterschiedlichen und zugleich so guten Autoren.

Wir hätten gern mehr gehört, aber schließlich wollen Bücher ja auch daheim und in aller Ruhe gelesen werden. Wir erwerben ein paar Bände. Dann sind die Köpfe übervoll und wir können noch lange nicht schlafen. So aufregend kann die Buchmesse sein.

Zweiter Buchmessentag

Am Abend präsentiert Kathrin Wildenberger, die in Leipzig lebt, im Thalia Buchhaus ihren neuen Roman „ZwischenLand“. Wir ergattern die vorletzten Sitzplätze. Eine Geschichte über junge Leipziger Hausbesetzer, übers Erwachsenwerden in der unmittelbaren Nachwendezeit, jederzeit bedroht durch die Nazis.

Hinterher beim Italiener ziehen wir über eitle junge Dichter her, Männer, die glauben, sie könnten dem Widerspruch zwischen ihrem Verlangen und dem Alltag entkommen, indem sie predigen. Sie plustern sich auf, sagen dann aber doch nur, was alle eitlen jungen Männer sagen, ob Dichter oder nicht: Die Welt ist schlecht, aber vor diesem Hintergrund wirke ich umso großartiger.

Müde, aber aufgekratzt fallen wir ins Bett. Gut, dass wir morgens ausschlafen können.

Letzter Buchmessentag.

Noch einmal zum Stand des Duotincta-Verlags.

Jürgen entwickelt mal eben weitere Ideen für die Werbung zu Lutz neuem Roman und entwirft zusammen mit Vera ein Konzept. Dann das große Abschiednehmen. Und Termine machen. Und Adressen austauschen. Und, und, und.

Das war die aufregendste Buchmesse unseres Lebens. Aber die nächste wird bestimmt noch…

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