Wir machen „Lust auf Erzählen“…

…im Kulturhaus Eppendorf

(aus unserer Moderation):
Lutz   Heute möchten wir vom Erzählen erzählen. Alle erzählen ständig. In einem Buch habe ich gefunden, Erzählen sei ein Alleinstellungsmerkmal des Menschen.
Vera   Im Unterschied zu anderen Tieren.
Lutz   Auch das Modewort Narrativ hat damit zu tun. Ein Narrativ ist nichts anderes als eine Erzählung, genauer vielleicht: ein erzählerisches Muster.
Es gibt ein Narrativ des Erfolgs, ein Narrativ der Leidenschaft …
Vera   … des Fortschritts, des Westens, der Kultur …
Lutz   Das heißt, es gibt jeweils ein bestimmtes Muster, an das man sich hält, wenn man über Leidenschaft, Kultur oder was auch immer redet.
Vera   Manche Leute verwechseln das Muster mit der Wirklichkeit. Das ist der Haken. Leider.
Lutz   Dass man so viel über Narrative redet, hat sicher damit zu tun, dass sich Welt so stark und so rasch verändert. Ständig begegnet man Menschen mit anderen Narrativen, etwa Leuten mit anderem kulturellen Hintergrund. Das ist schon bei uns im Haus so. Also, unsere Nachbarn aus dem vierten Stock und wir befinden sich nicht immer im selben Narrativ, etwa, wenn es um Literatur geht.
Vera   Wir wollen jetzt nicht weiter in die Theorie einsteigen, sondern uns mit literarischem Erzählen im engeren Sinne beschäftigen.
Lutz   Es geht um Texte, in denen Geschichten erzählt werden, sogenannte fiktionale Texte. Was bedeutet fiktionaler Text? Eine Fiktion ist eine Erfindung.
Ein erzählerischer Text ist nicht wie Wirklichkeit, also „BLOSS ausgedacht“.
Sondern er ist – Achtung! – AUSGEDACHT! Das ist seine besondere Qualität. Hier wird nicht über etwas geschrieben, was geschehen ist.
Vera   Sonst wäre es ja eine Reportage oder ein Bericht …
Lutz   Als Schriftsteller muss ich mich nicht an das halten, was geschehen ist. Ich gewinne dadurch eine große Freiheit, der Sprache nachzulauschen. Ihre Möglichkeiten auszuloten.
 Vera   Ein Wort gibt das andere. Sprache entwickelt eine Eigendynamik. Es geht also nicht nur um das, was wir mit Sprache machen, sondern auch um das, was die Sprache mit uns macht.
Lutz   Deshalb kann eine Erzählung auf besondere Weise Schreiben, Sprechen, Denken reflektieren. Das ist ein Plus gegenüber der Reportage.
Wir als LeserInnen sind eingeladen, darüber nachzudenken, wie mit sprachlichen Mustern und erzählerischen Mitteln der Eindruck von Wirklichkeit erzeugt wird.
Vera   Fiktionales Erzählen kann sich kritisch verhalten gegenüber den gewohnten und gewöhnlichen Narrativen, die gern mit Wirklichkeit verwechselt werden.

Dieser Beitrag wurde unter Theorie abgelegt und mit , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.