Liebe und Poesie

„Die Poesie wird im Bett gemacht wie die Liebe“, schreibt der surrealistische Dichter André Breton. Liebe beginnt damit, dass die Liebenden aus dem Alltag aussteigen. Was dort seinen Sinn hat, ist hier nicht wichtig. Um Sinn geht es nicht, sondern um die pure Anwesenheit, die Präsenz von Körpern und Äußerungen. Die Liebenden verständigen sich mit Blicken, Berührungen, Halbsätzen, Stöhnen…

Liebeserklärungen sind meistens peinlich. Da wird versucht, das einzigartige Ereignis dem gewöhnlichen Sinn, der üblichen Sprache unterzuordnen.

Das Schönste an der Liebe, dass sie die alltägliche Bedeutung der Menschen und Situationen hinter sich lässt, geht dabei verloren. Es sei denn, die Liebenden sind DichterInnen. Dann kann es gelingen, den eignen Horizont zu erweitern.

Mit der Poesie verhält es sich ähnlich. Die poetische Sprache entfernt sich vom gewöhnlichen Sinn, spürt Klängen nach, ungewöhnlichen Wortfolgen, eigenartigen Satzstrukturen und fremden Inhalten. Sie gerät in Bewegung, bewegt sich im Widerspruch zwischen Alltagssprache und Sprachkunst. Beiden öffnen sich neue Perspektiven; verändertes Sprechen, gewandelter Sinn kann sich entwickeln. Kann. Das funktioniert aber nur, wenn wir das Leseerlebnis nicht kurzerhand dem anpassen, was wir schon kennen, unseren Gewohnheiten, unserem bisherigen Erfahrungshorizont.

Liebe und Poesie können sich neu verständigen über den Sinn von Wörtern und Beziehungen.

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